Roger Löcherbach – Andrea Bender

Roger Löcherbach – Andrea Bender

Doppelte Portion

2.4.-28.5.2006

 
Andrea Benders Malereien wirken farbenfroh und heiter. – Auf den ersten Blick. Das lustig und frohe Anmuten leuchtender Farben, das haptische Element des gestischen Farbauftrags zieht uns an, bewirkt Interesse und den Wunsch, sich näher mit den Arbeiten zu beschäftigen. Erst dann erkennen wir, dass Andrea Benders Malereien alles andere als harmlos und leicht verdaulich sind. Sie schreien. Sie schreien sowohl durch die Geschichten, die sie erzählen, als auch durch den Duktus des Pinselstrichs, durch den pastosen Farbauftrag, die schrillen Farben und Kontraste. Das, was uns anzog, uns mit ihnen zu beschäftigen, irritiert uns gleichzeitig, wenn wir uns an den Bildgegenstand herantrauen.Andrea Bender übernimmt die Regie. Die Leinwand wird förmlich zur Bühne der Figuren, die wir auf den ersten Blick zu kennen glauben, die uns vertraut erscheinen. Diese Vertrautheit und Sicherheit wird jedoch gebrochen durch die skurrilen Geschichten, die sie erzählen, vermitteln und manchmal auch nur erahnen lassen. Die Regisseurin behält den Überblick, sie weiß, wann eine Geschichte kippt, sie weiß auch, dass Irritation und Unsicherheit nur portionsweise zu verdauen sind. Bei Überdosis wendet sich der Betrachter ab. Es kommt auf das richtige Gleichgewicht an, die richtige Mischung der Gegensatzpaare. Verspielt Kindliches paart sich mit bösartigem Sarkasmus, Liebliches verbindet sich mit Grausamem zu einem Manierismus, der oft zu dem einen oder anderen Extrem neigt, zu kippen droht, sich dann wieder fängt und dank der Regie nicht aus dem Gleichgewicht kommt. Eine gute Dramaturgie, weil die Beschäftigung mit Benders Arbeiten spannend bleibt.Für Roger Löcherbach ist das Material Holz ein Medium, das sowohl die Form als auch den Inhalt seiner Skulpturen bestimmt. Die rohe Verarbeitung mit der Kettensäge, das Heraustrennen einzelner Segmente lässt das Material als haptisches Erlebnis wirken, der Baumstamm als Material für die Form bleibt bestimmend und präsent und wird nicht selten durch das teilweise Belassen der Rinde unterstrichen. Löcherbachs Arbeiten leben durch den spannungsvollen Gegensatz der sich diametral gegenüberstehenden Polaritäten von Natur und Kultur. Als wolle Löcherbach seinen Figuren immer vor Augen halten, woher sie kommen und aus was sie entstanden sind. Löcherbach setzt diese Materialästhetik bewusst in den Kontext des Inhalts, und er macht sichtbar, was vorher nicht sichtbar, wohl aber vorhanden war. Denn ein Stamm birgt unzählbare Formen und damit auch Entscheidungen. Löcherbach entscheidet sich fast ausnahmslos für den Menschen, für die Figur als Thema. So mag der Baumstamm als Metapher für Natur stehen, aus der sich die Form, die Figur – der Mensch als Metapher für Kultur – herausbilden. Mit jeder Arbeit beginnt dieser Wandlungsprozess aufs Neue. Löcherbachs Holzskulpturen thematisieren nicht selten menschliche Zustände, die auf die Verletzbarkeit und das Isoliert-Sein verweisen. Auch spielt dabei das Finden und Halten des Gleichgewichts eine bedeutende Rolle.

Obwohl die Arbeiten Löcherbachs einen gänzlich anderen Ausgangspunkt haben als die Werke Andrea Benders, immer dann, wenn sich die Themenkreise beider annähern, entsteht eine Inszenierung von hoher Spannung, als verdoppelte Dosis des Gleichgewicht-Haltens. Die Künstler verabreichen eben nicht zwei Portionen, sondern die doppelte Portion.

 

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