Wellenreiter (Dreier – Hanoussek – Koukouwitakis)
Wellenreiter
Von Normalitäten und Identitäten
11.5. – 22.5.2007
11.5. – 22.5.2007
16.3. – 6.5.2007
20.10. – 26.11.2006
Text von Hans Broeg
Die Kunst von Barbara Wichelhaus findet ihre Stimuli in alltäglichen Ereignissen. Zugänge und Zugriffe sind unterschiedlich: Sammeln und Sortieren, experimentelles Erkunden von Materialien/Utensilien bezüglich deren Brauchbarkeit für Malerei, Grafik, Collage und/ oder Skulptur, dazu begleitendes (Nach-) Lesen und Schreiben bilden die Grundlagen der Aneignung und Verfügbarkeit, letztlich die Basis künstlerischer Arbeit.
Damit steht sie in der Tradition von Kunstströmungen der 70er Jahre, wie z. B. Spurensicherung, Konzept-Art, Feldforschung. Die Anregungen und Übernahmen werden mo-difizierend, variierend und kombinierend, intermedial-aktionistisch verwendet und in postmoderner Weise mit konventionellen künstlerischen Verfahren, vor allem durch Hoch- und Tiefdruck, unkonventionell weitergeführt.
Barbara Wichelhaus
1941 geboren
Studium: Kunst, Pädagogik und Psychologie in Essen, Münster, München, Köln 1. u. 2. Staatsexamen, Promotion, Habilitation Schuldienst, Fachleitung Kunst, Hochschuldozentin, Professur (ab 1987), Lehrstuhlinhaberin (ab 1998)
Lehrgebiete: Kunst, Kunsttheorie, Kunstpädagogik, Kunsttherapie
Seit 1983 Gastprofessuren
Arbeitsprojekte im Ausland: Ungarn (Budapest), Schweiz (Bern), Süd-Korea (Seoul), Bolivien (La Paz), Rumänien (Bukarest)
Seit 1987 Forschungen zur Funktion von Kunst in Kunsttherapie und Heilpädagogik, Beratungen zur Gestaltung von Krankenhauseinrichtungen und medizinisch-therapeutischen Praxen
Seit 1984 kuratorische Tätigkeiten
Zahlreiche Veröffentlichungen zu Kunsttherapie, Kunstpädagogik, Semiotik, Kinderzeichnung
15.10. – 7.11.2004
Wolfgang Pilz sammelt seit der Kindheit Fotos und Bilder aus der Presse, aus Illustrierten, Büchern oder sonstigen Medien. Er sammelt und katalogisiert das Material, noch nicht wissend wofür konkret, aber lauernd auf den Einsatz, wenn das Pendant oder Thema dazu gefunden ist. Sie sind Grundlage für seine Schemata, die die Welt auf das Wesentliche reduzieren.
In den neuen Arbeiten, die auf jeweils zwei Collagen basieren, arbeitet Pilz mit verschiedenen Ebenen, als Teile des Ganzen. Seine Zeichnungen, Malereien und Linolschnitte vermitteln dem Betrachter durch eine Rasterung ein bestimmtes übergeordnetes Ordnungssystem, das zu verbinden sucht. Wolfgang Pilz intendiert jedoch keine inhaltliche Verbindung der Einzelelemente, obwohl beide Bildteile eine inhaltliche Abfolge suggerieren mögen. Dies verursacht immer wieder Sprünge und Distanz zum Werk, das allein durch die Rahmung von Umrisslinien zusammengehalten zu werden scheint. Nicht immer – aber manchmal – können wir jedoch durch Bildzitate oder Figuren und deren Schatten, Verbindungen zwischen den beiden Bildteilen ahnen und erkennen. Wir müssen uns nur für’s Betrachen Zeit nehmen.
Dr. Claudia Schaefer
cubus kunsthalle, duisburg
Zur Ausstellungseröffnung am Freitag, dem 15.10.2004 um 19.30 Uhr laden wir Sie herzlich ein.
Es spricht: Dr. Susanne Höper-Kuhn
19.09. – 19.10.2003
Vom Sänger mit dem Pinsel oder vom Pinsel, der eigentlich ein Song sein wollte
Vor 12 Jahren etwa erhielt ich einen Anruf von Bernard Woschek (Künstler und politischer Trickfilmer u.a. für den Bericht aus Bonn) ich solle mir unbedingt Bilder anschauen von einem talentierten Künstler aus Berlin. Darauf hin entstand die Ausstellung Mentaldesign mit B. Woschek und Funny van Dannen in der cubus kunsthalle – damals noch auf dem Hinterhof an der Moltkestrasse in Duisburg. Während Woschek sich zu dieser Zeit mit der „Wende“ beschäftigte, und messinggeformte Objekte in Form der vereinigten Deutschlandkarte ausstellte, reflektierte Funny über Tarzan und Jane, das Pferd von Little Joe, die Ursuppe, aus der wir kommen, den Riesenwellensittich, von dem Karl träumte – und Gregor Gysi eröffnete die Ausstellung – was mir von Sponsorenseite einige Schelte einbrachte. Es folgte dann noch eine „Endart Ausstellung“, an der Funny beteiligt war. Damals war er noch ein eher unbekannter Sänger auf dem Weg ein bekannter Malerkünstler zu werden. Doch es kam dann doch anders. Funny stellte zwar das Malen niemals ein, ihm blieb jedoch wenig Zeit dazu, was er immer bedauerte, weil dem Malen sein Hauptinteresse galt. Funnys Songs (Als Willy Brandt noch Bundeskanzler war, das Bayern-Lied für die Toten Hosen sowie Schön sein, etc.) sind vielen bekannt, und seine Bilder? Sind es gemalte Sprüche, Texte, Gedichte oder gesungene Bilder? Comics eben ? – Textbilder, Liederaquarelle, Songgouachen – Poesie in Schrift, Farbe und Tönen. Seine Songs und seine Bilder sind immer beides. Wichtig ist die Geschichte dahinter, sei sie nun gesungen oder gemalt. Funny verbindet die Sehnsüchte der Menschen mit Slogans, Trends und Idolen. Kenner seiner Lieder werden Paralleles in der Malerei finden, da sich die bildnerischen Arbeiten mit ähnlichen Inhalten wie seine Songtexte auseinandersetzen und sich ebenfalls durch den bekannten „funnyschen Humor“ auszeichnen: die Kunst das scheinbar Harmlose so darzustellen, dass es uns Hörer wie Betrachter mitten ins Herz trifft und uns nicht mehr loslässt. Funny malt in frischen dominanten Farben und kommentiert seine Werke manchmal durch Textergänzungen. Schöne bunte Bilder, die Geschichten von den alltäglichen Dingen erzählen, eben das, was uns so beschäftigt und ganz nebenbei bezaubert. Die TAZ vom 18.3.2003 beschreibt seine Bilder wie folgt:“ Es ist gar nicht so einfach, den spezifischen Humor Funny van Dannens zu erklären. Vielleicht so: Seine Hauptthemen sind Jesus und die Popmusik, die Jugend, und der Fußball, die Tiere, die Liebe und der Sex. Dabei geht es um die Brechung der Gewöhnlichkeiten des Alltags, der aktuellen Sprechstereotype, Werbeweisheiten und Überschriften aus der Bild.“
Funny selbst ist ein Gefühlsmensch. Er ist vom Sternzeichen Fische. Auch das verbindet uns miteinander. Meistens treffen Fische scheinbar zufällig aufeinander, eher ziellos kommen sie ans Ziel, scheinbar selbstlos werden sie tätig und haben die Kraft in großen Zusammenhängen zu denken. Sie finden die Größe in den kleinen Alltäglichkeiten, sie empfinden die Liebe als verbindendes Element alles Seienden. Sie fliehen vor jeglicher Disharmonie und gehen Konflikten aus dem Weg. Funny beschreibt die Harmonie wie folgt: „Du willst mich nicht sehen, ich will Dich nicht sehen.
Schön, wenn zwei sich gut verstehn“.
Dr. Claudia Schaefer
1958 | Geboren in Tüddern (Kreis Heinsberg) |
seit 1976 | zahlreiche Auftritte als Dichter & Musikant |
seit 1978 | lebt und arbeitet in Berlin |
Endart Galerie, Berlin | |
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin | |
Galerie Fischer, Berlin | |
cubus kunsthalle, duisburg | |
Galerie Rosy Tittel, Köln | |
1984-1986 | Galerieprojekt „Diskount-Kaufhaus für Kunst |
Spurt ins Glück, Maas-Verlag | |
Jubel des Lebens, Maas-Verlag | |
Am Wegesrand, Kramer-Verlag | |
Der Tag als Rosie kam, Kunstmann-Verlag | |
Komm in meine Arme, Kunstmann-Verlag |
Clubsongs | |
Basics | |
Info 3 | |
Uruguay | |
Melody Star | |
Grooveman (alle bei Trikont) |
Freundinnen müsste man sein.
Dann könnte man über alles reden,
über jeden geheimen Traum.
Freundinnen müsste man sein
Dann könnte man über alles lachen,
viele Sachen zusammen tun.
Man könnte neue Schuhe kaufen
Und auf Parties gehen.
Man könnte durch die City laufen
Und auf gute Musik stehen.
Und man könnte die Nacht durch tanzen
Ohne auszuruhen.
Man wäre die ganze Zeit
gegen Einsamkeit immun.
Freundinnen müsste man sein.
Dann könnte man über alles reden,
über jeden geheimen Traum.
Freundinnen müsste man sein.
Dann könnte man über alles lachen,
viele Sachen zusammen tun.
Man könnte stundenlang versuchen,
ein Rätsel zu lösen.
Man könnte Billigflüge buchen
Und in der Sonne dösen.
Und man könnte richtig traurig sein,
aber ohne Depressionen,
und man könnte einer Meinung sein,
ganz ohne Diskussionen.
Freundinnen müsste man sein.
Dann könnte man über alles lachen,
viele Sachen zusammen tun.
Und nichts könnte uns trennen,
gar nichts auf der Welt,
bis uns eines Tages
derselbe Mann gefällt.
Josef Albers
02.08. bis 24.08.2003
Komponistenportraits von Petra Ellert
Sich ein Bild machen
Klaus Flemming
Auch für Petra Ellert waren Fotos der darzustellenden Komponisten Ausgangspunkt für die bildnerischen Umsetzungen.
Die erstaunlich schwierigen Quellenlage (immerhin beträgt der historische Abstand nur wenige Jahrzehnte) lieferte nur bildverwertbare Anhaltspunkte in Form schlechter Reproduktionen. Aber, dieses Manko spiegelt ja zugleich in lapidarer Eindringlichkeit Folgeerscheinungen der Verfemungsaktion und trifft hiermit den Kern des künstlerischen Ansatzes. Diese geradezu sinnliche Präsenz von Geschichtlichkeit, festgemacht am Zeitgeist kolorit von Outfit, Habitus und Attitüde der Porträtierten, ist zwar jedem Foto vergangener Zeit zu eigen, aber diese Komponistenportraits atmen einen Geist der Gefährdetheit und der Ausgeliefertheit, der aufmerken läßt. Petra Ellert hat die existentielle Zerrissenheit in die scheinbare Instabilität und Fragilität
des Mediums Papier übertragen. Die auf annähernd Lebensgröße gebrachten Fotoreproduktionen, die im Zuge dieser Radikalkur schonungslos ihre Leerstellen, Unreinheiten und Rastervergröberungen offenbaren, hat sie in der ihr eigenen Art durch real perspektivische Hinzufügungen aus planen Flächen emanzipiert. Wie reliefartige Hervorhebungen entwickeln sich
Gliedmaßen und Sitzflächen auf den Betrachter zu, wobei die Ansätze sich je nach Blickrichtung und Standort gelegentlich in frappierender Beiläufigkeit ergeben. Hinzu kommt, dass Petra Ellert diese Applikation auf Holzplatten kaschiert und Teile dieser Bildträger wie auch Partien der Fotovergrößerung mit einem „schrägen“ monochromen Grünton versieht, der eine abstracktflächige Komponente einbringt und das Bildgeschehen relativiert und „bricht„. Die plastische Figurenauffassung – und das ist ein durchgängig anzutreffendes Prinzip im Werk von Petra Ellert – ist eine bewußt fragmentarisierende, die nicht illusionistisch kaschiert, sondern das Provisorische zum Prinzip erhebt : Mann kann “dahinter“ schauen, virtuose Oberflächenthermik wird strikt vermieden.
Im Sinne von Josef Albers eröffnet Kunst Vorstellungsräume, indem sie Bildmetaphern erfindet, die zwar in der gewußten und gelebten Realität gründen, die aber aus-und weitergedeutet werden und vielleicht irgendwann eingehen in den Fundus des Angeeigneten.
Auszüge aus dem Text des Kataloges zur Ausstellung „Entartete Musik“ 1999, Weimar
1961 | in Sarajevo geboren |
1980-1985 | Kunstakademie Sarajevo Fachrichtung Malerei |
1985 | Diplom, Mitgliedschaft im Kunstverein ULUBIH, Sarajevo |
1986 | Studienaufenthalt an der Kunstakademie München, Klasse Paolozzi |
1985-1987 | Postdiplomstudium an der Kunstakademie Sarajevo |
seit 1987 | freischaffender Künstler |
seit 1989 | wohnhaft in Düsseldorf |
1986 | Sarajevo, Galerie „Dom Mladih“ |
1987 | Belgrad, Galerie „Studentski Grad“ |
1992 | Mülheim an der Ruhr, Max Planck Institut |
1994 | Düsseldorf, Ballhaus |
1995 | Düsseldorf, Orangerie Benrath |
1996 | Erkelenz, Haus Spieß |
1999 | Hilden, Haus der Hildener Künste |
1999 | Toronto, Brentwood, Library |
2001 | Düsseldorf, Industrie-Club |
1986 | Sarajevo, Collegium Artisticum `86 |
1987 | Karlovac, 5 Biennale Aquarell Yugoslawiens |
1988 | Tuzla, Yugoslawische Portraits |
1989 | Sarajevo, Collegium Artisticum `89 |
1992 | Essen, Galerie Irene Sagan – Sechs |
1994 | Düsseldorf, Galerie Hame-Diehl |
1995 | Kunstraum Düsseldorf, Arbeitsplatz Kunst |
1996 | Düsseldorf, Wellenbad – Pool |
1997 | Düsseldorf, Kunstraum – Losgezogen |
1999 | London, Studio E – Wanstead |
2000 | Langenberg, Tuchfühlung 2 |
2001 | Essen, Campus Consulting – Facetten |
2003 | Düsseldorf, Heaven, Galerieraum 107 |
02.08 bis 24.08.2003
Heike Walter
1960 in Düsseldorf geboren
1986 Diplom für Keramikdesign an der FHS Niederrhein Krefeld
1990-98 Kunstakademie Düsseldorf, Bildhauerei Frau Prof. Beate Schiff
Teilnahme an ca. 40 jurierten Gruppenausstellungen so z.B.
1988 Faenza, Italien
1994 Perugia, Italien
1988/96/97/99/2000 Große Düsseldorfer Kunstausstellung NRW
1992/96 u. 2000 Kleinplastik Biennale Hilden
1998/2000 Keramikbiennale Kairo Museum of Fine Arts
2003 Internationales Bildhauersymposium, Langenfeld
21 Einzelausstellungen, so z.B.
1993 Stadtmuseum Erkelenz
1994 Ballhaus Nordpark, Düsseldorf
1996 Orangerie Benrath
1997 Goethe Museum, Düsseldorf
1998 Kunstmuseum in der Tonhalle
1999 Kreismuseum Syke, Bremen
2000 Galerie Agnes Raben, Arnhem, Niederlande
2002 Kunstverein Köln Rechtrheinisch
2003 Galerie Klaus Bänder, Düsseldorf
28.03. – 11.05.2003
Zur Ausstellungseröffnung
am 28.3.2003 um 19.30 Uhr
laden wir Sie und Ihre Freunde herzlich ein.
Der Künstler ist anwesend.
Begrüßung:
Dr. Claudia Schaefer, cubus kunsthalle, duisburg
Es spricht:
Dr. Susanne Höper-Kuhn, Kunsthistorikerin
Musik:
Eckard Koltermann, Saxophon/Baßklarinette
Jeweils samstags von 14-18°° workshop Malerei für Kinder nach Voranmeldung
Zu den Arbeiten
Rainer Bergmanns Malerei zeigt die erregte Oberfläche des bewegten Untergrunds, in dem die Handlung spielt, und zwar nicht zur Illustration, sondern als Konkretion eines Geschehens. Realistisch verstandene Alltagsszenen gesetzt in drängende Bilderserien formulieren eine prägnante, offene Formensprache, die Leichtigkeit vermittelt, trotz der in ihr mühevoll verdichteten biographischen Gedächtnisarbeit. Ihre rauhe Ästhetik prononciert die gewaltige Bedeutung des Privaten und saugt die fassbare Emotion des Betrachters buchstäblich auf, so, als antizipiere sie dessen unsägliche Geschichte, als wäre sie vorab bereits geprägt von der provozierenden Authentizität selbstreflektiver und selbstbewusster Aneignung durch Publikum.
Robert Bosshard
Biografie
Rainer Bergmann R A B E ist 1943 geboren in Tiengen/Oberrhein. Nach der Ausbildung als Steinbildhauer schloss sich 1964 – 1967 ein Studium an der Kunstakademie Stuttgart bei Prof. Hoflehner an. In dieser Zeit entstehen Holz-, Stahl- und Gipsplastiken. Ein Stipendium der Studienstiftung ermöglicht einen Studienaufenthalt in Italien und ein Weiterstudium in Düsseldorf. 1968 Umzug nach Duisburg. Es entstehen narrative Objekte und Zeichnungen. 1980 wendet er sich der Malerei zu. Mitbegründer der Künstlergruppe „Streichquartett“. Rainer Bergmann lebt und arbeitet als freier Künstler in Duisburg.
Einzel- und Gruppenausstellungen finden im In- und Ausland statt. Arbeiten von Rainer Bergmann sind im öffentlichen und privaten Besitz.
Wir danken der Unterstützung durch den Kulturbeirat der Stadt Duisburg und der König Brauerei
Einführung in die Ausstellung Rainer Bergmann RABE.
Dr. Susanne Höper-Kuhn
„Der Künstler ist ja nach der bürgerlichen Auffassung jemand, der stellvertretend für andere Sachen artikuliert, aber nicht nur für andere, sondern auch für sich selber, ohne daß er jetzt auf irgendwelche Egotrips abfährt. Und darum geht’s doch: je intensiver meine Konzentration ist bei der Arbeit, desto mehr kommt auf dem Bild für den Betrachter rüber.“ So Jörg Immendorff in einem Interview mit Volker Grasskamp, 1984.
Eben diese von Immendorff bezeichnete Konzentration finden wir in der Malerei von Rainer Bergmann. Der Künstler hat in dieser Ausstellung rund 50 Arbeiten für uns zusammengestellt, die einen Überblick über seine narrative und phantasievolle Suche nach einem Abbild von Wirklichkeit in den letzten zwanzig Jahre geben.
Das Portrait, die Landschaft, das Stilleben mögen wir in der Malerei Bergmanns entdecken. Wo ist die Antipode? Die ganze bunte Werbewelt da draußen ist voll davon und prägt mit Macht und psychologisch fundiert die Art, wie wir die Welt aufnehmen. Das erzählerische Historienbild oder Genrebild, in dem die Künstler früher den Lauf der Geschichte oder die Atmosphäre einer Gesellschaft (zuweilen auch im Dienste einer Ideologie) verdichteten, ist zur Domäne des Kino- oder Fernsehfilms geworden. Die Verunsicherung darüber, was ein einzelnes gemaltes Bild in der Flut der millionenfach reproduzierten Bilder noch bewirken kann und bedeuten kann, hat sich tief in das Künstlerbewußtsein gegraben.
Wie also dagegen an? Diese Malerei hier ist eine wilde, subjektive Malerei. In ihr drückt sich das Bedürfnis des Künstlers nach spontanem Ausdruck in zum Teil rätselhaften, seltsam ungestümen Bildern aus. Reizvokabeln wie Farbigkeit, Hitze, gestalteter Ausdruck, Spontanietät, Lockerheit, Unruhe, Emotion, Erlebnis, Geschichte, Reise, Gesamtkunstwerk, Synthese, Kommunikation fallen dem Betrachter vor seinen großformatigen Werken regelrecht zu.
Nein, Rainer Bergmann hat nicht immer gemalt und dabei allmählich einen Stil, eine Handschrift, entwickelt. Vielmehr begann der gebürtige Oberrheiner, der an der Kunstakademie in Stuttgart und Düsseldorf zunächst Bildhauerei studiert hat, anfang der achtziger Jahre ganz spontan mit der Malerei.
Motive findet er auf der Straße, in Zeitungen und Zeitschriften, in der Werbewelt. An seinen auch von Fotos und Studienreisen nach Mexiko etwa oder nach Italien inspirierten Bildern, die man als „Untersuchungen“ bezeichnen könnte, interessiert ihn das Stilistische zuletzt. Natürlich ist das Ergebnis seiner „Untersuchungen“ ein auch sozialkritisches, denn Bergmann ist ein politischer Mensch, der sich einmischt und ein sensibles Auge und Gehör für die Zwischentöne hat. Die Wirkung seiner „Untersuchunen“ ist eindringlich, was nicht zuletzt an der Motivwahl, sondern auch an der Maltechnik liegt. Wir finden ein pointiert malerisches Wesen durchgängig in seinen Arbeiten. Sie sind gekennzeichnet von einem expressiven, gestenreichen Pinselstrich, der keinen Stillstand erlebt. Bei dem Begriff „expressiv“ denken wir gerne an das Pathos der Kirchner-, Nolde-, Heckel-Generation. Nein, Bergmanns Weise ist anders expressiv. Sie ist viel radikaler und drastischer, wenn er mit dem Pinsel um sich schlägt und dabei weniger an ein Kunstproduzieren denkt als vielmehr einen freien gestalterischen Akt der Selbstbefreiung von Gefühlen, Träumen, Aggressionen vollzieht.
Entsprechend nebensächlich wird für ihn das bloße Handwerk. Grundierung des Malgrundes – kann, aber muß nicht sein. Keilrahmen zur Stabilisierung der Bildfläche – nein danke. Auch kann – wie hier in dieser Ausstellung geschehen – eine großformatige Papierarbeit einfach mit Stecknadeln auf die nackte Wand geheftet sein.
Seine Bilder scheinen alle Spielarten gängiger Malerei aufzuweisen. Das Problem abstrakt oder figürlich ist für Bergman längst keine Frage mehr. Und – er hat die Kunstgeschichte im Kopf und zitiert sie. Eine Erinnerung an die Rituale von einst. Kunstgeschichte zitiert er aus einem momentanen Bedürfnis heraus. Er benutzt sie wie eine vorgefundene Sprache.
So zum Beispiel bei den „Palermo“-Bildern von 1994/1995, die nach einer Studienreise nach Italien entstanden. Hier ging es ihm auch um die Herausforderung ein in der Kunstgeschichte häufig anzutreffendesThema, das des Platzes, besser der italienischen „Piazza“, zu bewältigen. Angeregt von der „metaphysischen Malerei“, insbesondere von de Chiricos Serie „Italienische Plätze“, finden wir scharfe Schlagschatten, verschiedene Lichtquellen, an verschiedenen Fluchtpunkten ausgerichtete Arkaden und kippende Böden in Verbindung mit Gebäudefragmenten, die ihren scheinbar „traumhaften“ Charakter der ängstlichen Leere, der Bedrücktheit und Verlassenheit konstruieren.
Sein Interesse ist dabei hochbeweglich, geradezu volatil, stark imaginativ. Er schlüpft in historisch weit auseinanderliegende Rollen, etwa wie ein Schreiber, der sich von der Dikatatur des Dudens angewidert, mal an der Orthographie alter Urkunden und mal am Primitiv-Idiom von Comic strips orientiert.
Dabei ist seine Malerei von großer Aufrichtigkeit. Unaufgefordert riskiert er auf seinen Bildern einen Wirbelsturm des Privaten, den Sprung nach innen, eine neue Subjektivität und zeigt ein hohes Maß an Offenheit. Dabei schließt das Angebot immer auch bildnerische Mitteilungen aus dem Intimbereich ein. Nicht, um zu provozieren – in dieser Hinsicht ist der Maler (doppelt abgehärtet durch Kinsey und Kolle) ganz unverkrampft und ganz cool. Selbstauskünfte, die für manchen Betrachter dennoch die Grenze des Erträglichen überschreiten mögen, liegen nicht in der Verantwortung des Malers, sondern in der prinzipiell ähnlichen Struktur der subjektiven Erfahrungswelt des Menschen, sei es der Maler oder der Betrachter, begründet. Für ihn sind diese Selbstauskünfte unverzichtbarer Ausdruck künstlerischer Freiheit. Neben der selbstbewußten Aktdarstellung finden wir so Bilder aus dem Alltag der wirklichen Beziehungen: Mann-Frau: Rollenübernahme, Geschlechterkampf; Mutter – Kind: Generationenkonflikt.
Von den überkommenen Bildgattungen der abendländischen Malerei – Portrait, Gruppenbild, Stilleben, Landschaft – als solchen, den Künstler in den Zaum nehmenden Struktureinheiten will er eigentlich nicht einschränken lassen. Vielmehr lauscht er seinen Gefühle, bringt seine Träume oder Erinnerungen ins Bild und erzählt Geschichten. Manche seiner Großformate wirken wie gewaltige Skizzen oder auf eine sprudelnde Farbquelle aufgesetzte Karikaturen.
Bergmann liebt sprechende Titel, die verraten, was seine Phantasie beschäftigt. Menschen in verwirrenden Handlungen gibt es immer wieder auf den Großformaten, bei denen keine räumliche Perspektive zu Hilfe eilt. Das Bild wird so zu einer nicht näher definierten Ereignisfläche, auf der sich etwas wie im Traum abspielt. Und die Botschaften dieser Bilder? Mit der Botschaft verhält es sich wie bei Mitteilungen von einem anderen Stern, sie bleibt verhüllt, verschlossen.
Und die Hülle? Viele seiner „Projekte“, bei denen er an mehreren Arbeiten zu einem Arbeitstitel gleichzeitig agiert, sind inspiriert von der Bildwelt der Industrie- und Kulturlandschaft Ruhrgebiet wie z.B. die „Stadtbilder“. Wiedererkennbares lockt uns an. Bergmann genügt es, daß jeder denkt, das ist eine Stadtlandschaft, eine historische Referenz braucht er nicht. Er arbeitet mit Klischees, also Verkürzungen, Abziehbildern einer komplexen Realität, Hilfsmitteln des ordnenden Menschen also, mit denen wir stets schon versuchen, die Welt begreifbar, beschreibbar und wegsam zu machen. Ganz im Sinne des Soziologen und Philosophen Arnold Gehlen, der, indem er den Menschen als „unspezialisiertes“, „nicht festgelegtes“, „weltoffenes“ Wesen erkennt, ihn auf diese Hilfsmittel zur Schaffung einer Ordnung in der Welt um ihn herum angewiesen sieht.
So schafft Rainer Bergmann mit seinen Bildzyklen virtuelle Welten, die dem Betrachter glauben machen, das er das, was er dort vor sich habe, kenne. Es verhält sich so wie mit den Romanen eines Karl May, der derart konkret Handlungsschauplätze zu schildern vermag, daß ein Leser ihm bereitwillig glaubt, er – May – sei dort gewesen und nun sei er – der Leser – dank der nachschaffenden Imagination selbst im Moment des Lesens eben dort. Bergmann ist ein ebensolcher Meister der Schaffung einer bestimmten Atmospäre und Virtualität. Er stellt einen Bezug des Bildgeschehens zu einer realen Situation her, die er durch prägnante Bildelemente wie etwa die „Vespa“ in dem Projekt „Palermo“, aber auch die gesetzten Titel präzisiert. Damit erklärt er das malerische Geschehen zwar nicht, gibt ihm aber einen räumlich geographischen oder historisch geistigen Ort. Er stellt es in einen Kontext, der auf seinen eigenen Erlebnisbereich verweist und die visuelle Erfahrung des Betrachters auf reales Geschehen lenkt. So zieht er den Betrachter in das Bild hinein und damit durch die Oberfläche hindurch in andere, mehr innere Schichten des Bildes.
Die zumeist großformatigen Werke von Rainer Bergmann kommen so auch nicht mit kostbaren Holzrahmen daher. Nein, er setzt seine Bilder in selbstgefertigte Schaukästen aus im Baumarkt gekauften Aluminiumprofilen, die im Bau zur Befestigung von Rigipsplatten dienen. Da sehen wir nun die welligen Papierarbeiten in ihrer von feuchter Farbe durchtränkten Materialität wie sie von der Atelierwand des Künstlers kommen – einfach aufgesteckt mit Stecknadeln wie Schmetterlinge in einem naturkundlichen Schaukasten.
Apropos Schaukasten. Das Bild trägt auch noch weiter, ganz im Sinne der zuvor bezeichneten „Alltagsdurstigkeit“ seiner farbgesättigten Bilder: das Vergangene und das Gegenwärtige gerinnt zu einer Szene in einem Schaukasten-Theater des Alltags, mit der wir als Betrachter lebensgroß in einem Bildgegenüber konfrontiert sind.
Bergmann mag nicht auf Leinwand malen, die gibt ihm einfach zu sehr nach. Er benötigt den Widerstand des „Gegenübers“ der Malfläche, die er zuweilen mit Pinsel oder Ölkreide regelrecht traktiert. Die Malaktionen sind durchaus zu sehen. Die Fläche erweist sich nicht selten als ein Schlachtfeld heftiger Aktionen, bei der es häufig zu Übermalungen kommt.
Nachdem der Betrachter von dem „süßen Honig“ des für ihn Erkennbaren angelockt ist, folgt der zweite Blick auf das Bild. Für Rainer Bergmann ist die Welt der Dinge kein Universum von Formen, die erscheinen, sondern von Bedeutungen, die sich offenbaren. Er versucht die Rätsel und Nicht-Sinnhaftigkeiten erfahrbar werden zu lassen, welche sich hinter dem Schleier des Sichtbaren verbergen. Alle Gegenstände werden zu Zeichen eines visuellen Vokabulars; befreit von ihrer konventionellen Bedeutung und a-logisch kombiniert. Da fragt sich der Betrachter dann, was das Collosseum, das in Rom zu stehen hat, in Palermo zu suchen hat? So vermögen sie poetische Momente zu evozieren und sprachlich nicht faßbare Intuitionen zu artikulieren. Das Denken wird direkt in eine bildliche Sprache transformiert.
Der Frankfurter Maler Thomas Bayerle sagte einmal: „Kunst existenziell ausüben heißt, den „automatischen Körper“ bejahen, mehr schwitzen – weniger „Hirnfick!“ – den body in die Mitte schieben, ihn nicht nur als Trägerrakete sehen für „schöne Ideen“. Dieses Schwitzen wünsche ich ihnen nun, wenn sie durch die Ausstellung rennen. Wenn sie rote Punkte an der Titeleien sehen, ist diese Arbeit leider schon verkauft. Und übrigens, lieber Herr: Ein „Junger Wilder“ kennt kein Alter. Danke für diese Ausstellung.
Dr. Susanne Höper-Kuhn, Kunsthistorikerin
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